Als wir unsere Fahrt zum Schloss Hessenstein planten, habe ich natürlich gleich angefangen, die Karte nach etwas Interessantem in der Nähe abzusuchen. Und fand es gleich – die Fachwerkstadt Frankenberg. In Köln haben wir einen richtigen Fachwerkmangel, so dass wir uns darauf losstürzten.
Diese Ortschaft im jetzigen Bundesland Hessen war stets sehr beliebt: über der Stadt am Fluß Eder steht ein Berg, auf dem schon im 5. Jahrhundert die Franken eine Festung errichteten, um ihre Feinde, die Sachsen, zu bekämpfen. Daher auch der Name: Frankenberg.
Dann, im 12. Jahrhundert, gehen diese Ländereien an den Landgrafen von Thüringen über, er baut dort eine Burg und eine Siedlung östlich davon – eben Frankenberg. Im Jahre 1244 wird Frankenberg erstmalig als Stadt brieflich erwähnt. Die Stadt liegt auf einem großen Handelsweg, der von Frankfurt ausgeht, und ist daher sehr wohlhabend.
Jedoch waren die thüringischen Landgrafen anscheinend nicht die besten Herren, denn bereits ein Jahrhundert später, 1376 begehrten die hitzköpfigen, freiheitliebenden Frankenberger auf und brannten die Burg nieder. Danach wurde es nicht wieder hergestellt.
Auf den Berg sind wir nicht raufgeklettert: wegen dem strömenden Regen fiel uns auch so schon das Fotografieren schwer. Dafür machten wir einen Spaziergang durch die Stadt.
Die beiden zentralen Straßen und gleichzeitig Plätze sind der Obermarkt und der Untermarkt. Sie sind voller solcher sympathischer Fachwerkhäuser. Fast alle sind nach dem großen Brand von 1476 gebaut, als fast die ganze Stadt abgebrannt war. Nach dem Brand schaffte es die Stadt übrigens nicht wieder zur ehemaligen Blüte, denn die Handelswege hatten sich verschoben. Und so döste das Städtchen eine Weile lang vor sich hin.
Viele Fachwerke wurden vor 30 Jahren gut restauriert, aber nicht alle, wie man an diesem Foto sehen kann.
Eine charakteristische Besonderheit der Fachwerkhäuser von Frankenberg sind die vielgeschössigen Erker an den Ecken.
Das Stadtarchiv, ein Gebäude aus dem 16. Jahrhundert. Anscheinend hat es den Brand überstanden. Ich liebe solche krummen Häuser, die sich fragend über den Gassen aufbäumen!
Der Hexenturm ist der einzige Turm der ehemaligen Stadtmauer, der übrig blieb. 13. Jahrhundert! Außerdem war es das Stadtgefängnis, und den Namen hat er vermutlich während der Hexenverfolgung abbekommen.
Wir gehen weiter Richtung Stadtmitte. Sonntags herrscht Ruhe in der Stadt.
Dieses Haus ist das älteste der Stadt, und wurde 1240 für die Versammlungen des Bürgermeisters und der Stadträte erbaut. Es überlebte den großen Brand von 1476.
Wir nähern uns dem Obermarkt. Kopfsteinpflaster und Fachwerk, soweit das Auge reicht.
In der Mitte des Obermarkts steht das Rathaus. Mich erinnert es an eine gehörnte Echse, wegen den 10 Türmchen, die für die 10 größten Handwerkszünfte der Stadt stehen.
Erbaut wurde das Rathaus 1509. Die oberen Stockwerke werden für die Sitzungen des Stadtrats und der Eheschließung verwendet. Unten ist eine Festhalle.
Auf die Feste wird auch durch die Figuren der Gaukler und Musiker auf der Fassade angespielt – als wir aber da waren, war es ruhig in der Halle.
Drinnen fanden wir eine Tafel, zum Andenken an die jüdischen Bewohner von Frankenberg, die Opfer des NS-Regimes wurden.
Noch eine Ansicht auf dieses originelle Rathaus. Man kann es sowohl vom Ober-, als auch vom Untermarkt aus sehen.
Die oberen Stockwerke wurden erst relativ „vor Kurzem“ mit grauem Schiefer bedeckt: 1779, um das Rathaus vor Feuchtigkeit und Fäule zu bewahren. 1950 versuchten die Bürger eine Petition einzureichen, um den Schiefer wegzumachen, doch die Denkmalschutzbehörde lehnte ab. Das wäre zu viel des Guten, meinte sie!
Und hier die Sicht auf die „Echse“ – vom Untermarkt aus. Hier ist etwas weniger Schiefer, als auf der anderen Seite.
Und noch eine kleine Besonderheit des Fachwerks von Frankenberg: die Zwischenräume des Balkenskeletts werden mit Ziegelsteinen aufgefüllt, die unterschiedlich ausgelegt werden. Hier erinnert es stark an Kacheln im Parkettboden.
Hier zum Vergleich: das linke Haus ist verputzt, aber von innen kann es auch mit Ziegeln statt Lehm aufgefüllt worden sein.
Nach der Besichtigung des Rathauses aßen wir eine Kleinigkeit im örtlichen Café (oh, diese „Haustorten“!) und zogen dann unter strömendem Regen zur gothischen Liebfauenkirche. Im Vergleich zum Kölner Dom wurde diese Kirche blitzschnell erbaut: nur in 74 Jahren, angefangen in 1286.
Zuallererst gingen wir in die Marienkapelle, die der Architekt Tyle von Frankenberg schon nach der Vollendung der Kirche hinzugebaut hatte. Ein Bürger der Stadt stiftete sein gesamtes Vermögen für den Bau dieser Kapelle.
Und dann begehrten die hitzköpfigen Stadtbewohner wieder auf. Während der hessischen Reformation 1605 wurden den Figuren auf diesem Altar Köpfe, Arme und Beine abgeschlagen.
Insbesondere betraf es die Figuren, die Szenen darstellen, die es in der Bibel nicht gab. Zum Beispiel die Krönung der Gottesmutter.
Noch vor der Reformation wurde die Kirche während des Brands im 15. Jahrhundert schwer beschädigt. Alle Dächer, 12 Altäre, die Fenster – alles war zerstört.
Was nach dem Feuer übrig blieb, wurde durch die Reformation zerstört: auch in der Kirche ist fast keine einzige Figur übrig geblieben.
Diese Löwen am Eingangsbereich sind heil geblieben. Es sieht aus, als würden sie noch immer unter den stürmischen Ereignissen jener Jahre leiden.
Was übrig blieb, sind die Figuren des Johannes den Täufer,
des Christus,
sowie eines der 12 Aposteln. Alle stammen von eben jenem Tyle von Frankenberg.
Noch etwas, was übrig geblieben ist.
Grabtafel eines Priesters. Ein Reformator, übrigens.
Ein Wasserspeier.
Eine Eule auf einer Chorbank.
Mehr schafften wir in der Stadt nicht mehr zu sehen. Im strömenden Regen rannten wir zum Auto. Das war das erste Mal, dass ich diese dunkle, zerstörerische Seite der Reformation gesehen habe. Köln ist ja ein Nest des Katholizismus, hier hätten sich die Reformatoren nicht so etwas getraut.
Außerdem gibt es in Frankenberg einen Kloster und noch mehr Fachwerkhäuser in der Fußgängerzone. Vielleicht schauen wir beim nächsten Mal vorbei.
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